21.08.2009

Im ständigen Wandel - Von ewigen, sterbenden und neuen Handwerksberufen

Berufsbilder entwickeln sich weiter. Manche sterben, andere erfinden sich neu. Wieder andere bekommen neue, schillernde Namen verpasst. Paula, 20, aus Dresden macht sich so ihre Gedanken über die Evergreens des Handwerks,  tote und mehr als lebendige Berufe...

Wenn jemand vom Bäcker oder Schneider spricht, weiß jeder was gemeint ist. Ein Bäcker steht mitten in der Nacht auf, um Teig anzurühren und am Ende der Woche für unsere Sonntagsbrötchen zu sorgen. Ein Schneider flickt, strickt und näht Kleider und Taschen. Dass diese Berufe so bekannt sind, hat einen einfachen Grund: Es gibt sie schon seit Jahrhunderten. Nämlich seit dem zehnten Jahrhundert (Bäcker) und dem zwölften Jahrhundert (Schneider).

Und es sind Berufe, die es noch lange, wenn nicht für immer geben wird. Denn Teigwaren und Textilien werden wir wohl auch in absehbarer Zukunft gut gebrauchen können.

In der Musikbranche bezeichnet man Lieder, die sich trotz ihres langen Bestehens immer noch  hoher Beliebtheit erfreuen, als Evergreens und Oldies. So ein Evergreen des Handwerks ist der Beruf des Zimmermanns. Er gehört neben dem Schmied zu den ältesten überhaupt, und das ist  logisch: Früher war jeder Hausbesitzer sein eigener Zimmermann, weil er sich sein Heim selbst bauen musste. Mit der Bildung der Zünfte im zwölften Jahrhundert wurde der Beruf dann eigenständig und im Mittelalter unentbehrlich. Bis heute hat sich das nicht geändert, die  wesentlichen Aufgaben eines Zimmerers liegen nach wie vor darin, Holzkonstruktionen zu fertigen, zu reparieren und zu restaurieren. Der Beruf ist auch in Deutschland noch ein anerkannter und beliebter Ausbildungsberuf. 2007 wurden fast 7.000 Ausbildungsplätze vergeben. Zu den ältesten Handwerksberufen gehört daneben auch der Töpfer, Drechsler und der Steinmetz.

Andere Berufe gibt es längst nicht mehr oder sie sterben gerade aus. Das liegt meist daran, dass sie überholt sind und wir sie nicht mehr brauchen. So ein Schicksal ereilte zum Beispiel den Beruf des Wagners. Heute nur noch als Familienname bekannt, war in Zeiten des Eisenbahnbooms im 19. Jahrhundert der auch als Stellmacherei bezeichnete Handwerkerberuf noch sehr begehrt. Damals wurden Räder, Wagen oder landwirtschaftliche Geräte noch nicht am Fließband hergestellt.

Die technische Entwicklung, vor allem in Zeiten der Industrialisierung, ließ solche handwerklichen Berufe aussterben oder an Bedeutung verlieren. Und so gab es auch für den Seifensieder, Kammmacher und Nagelschmied seitdem keine große Zukunft.
Manche Handwerke sind im Zeitenwandel auch in neue Berufe aufgegangen. Seit Jahrhunderten ist der Wandel im Handwerk abhängig von der gesamtwirtschaftlichen, technisch-technologischen Entwicklung der Gesellschaft. Im 19. und 20. Jahrhundert kamen neue Berufe wie  Fotograf, Elektriker oder Drogist hinzu.

Manche Berufsbezeichnungen zeugen aber auch davon, wie sich Wesenszüge des Berufs rasant veränderten. Der Mechatroniker ist so ein Beispiel. Der Name ist eine Mischung aus Mechaniker und Elektroniker. So weit so simpel. Weniger einfach ist das, was er macht. Denn am Durchschnitts-PKW kann der klassisch geschulte Mechaniker heute kaum noch was ausrichten, wenn er keine Ahnung von Elektronik hat. Immer mehr Bauteile basieren darauf. Kein Wunder, dass sich Mechatroniker heute dem geliebten Automobil zuerst mit Laptop und Kabel, nicht mit dem Schraubendreher nähern. Berufe verändern sich also, Namen auch.

Schließlich gibt es neben ewigen, veränderten und „toten“ Berufen noch Fälle, die uns allenthalben aber kaum im Handwerk begegnen: Da bleibt der Inhalt gleich, nur die Verpackung wird neu. Und so wird schlicht und ergreifend der Name ordentlich aufgemotzt, damit er Großes und Schillerndes verheißt. Manchmal ist das sinnvoll, oft nicht. Und so wird aus dem Hausmeister der Facility-Manager, aus dem Telefonisten der Call-Center-Agent und die Bürohilfe ist jetzt ein Junior Clerk. Alles keine Handwerksberufe - denn solche namentlichen Schönheitsoperationen gibt es vor allem in der Dienstleistungs-, Verwaltungs- oder der Medienbranche.

Wer Stellenanzeigen lesen will, kommt ohne Wörterbuch kaum noch aus. Wie schön wäre es, wenn man sich hinter jeder Berufsbezeichnung auch etwas vorstellen könnte. Wie eben beim Bäcker oder Schneider.

Kommentar: Paula Irmschler