Handwerkerinnen gesucht!
Handwerksberufe sind doch für Jungs besser geeignet, denken noch immer eine Menge Schulabgänger. Viele Mädchen klammern eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb von vornherein aus. Christiane Siemann, 24, aus Dresden versteht nicht, warum das so ist.
Warum denkt beim Beruf Tischler jeder gleich an einen Mann? Warum muss sich eine Kfz-Mechatronikerin immer wieder für ihren Berufswunsch erklären? Warum kommen Mädels in vielen Handwerksberufen nicht aus dem Exotenstatus heraus? Was beim blauen Strampler und rosa Hemdchen in der Kindheit beginnt, setzt sich in der Berufswahl fort. Die Geschlechter werden fein säuberlich getrennt. Jeder kriegt seine Schublade: Die Jungs gehen in die Werkstatt, die Mädchen ins Büro. Ich will da nicht mitmachen! Ich will selbst entscheiden, welchen Beruf ich erlernen will. Egal, welche Farbe mein Strampler hatte.
Das Klischee von den Jungenberufen hält sich hartnäckig. Und wenn man sich die Zahlen anschaut, könnte man fast bestätigt werden: Von den 5,8 Millionen Beschäftigten im Handwerk sind nur etwa ein Drittel Frauen. Immerhin ist die Tendenz steigend. Mehr Mädchen entdecken die Handwerksberufe für sich. 1977 lag der Frauenanteil noch bei einem Viertel der Lehrlinge.
Dabei gibt es auch zwischen den einzelnen Handwerksberufen große Unterschiede: Während bei den Friseuren, Schneidern und Mediengestaltern die Mädchen zahlenmäßig vorne liegen, bleiben bei Trockenbaumonteuren, Druckern und Klempnern die Jungs oft unter sich.
Deutschlandweit gibt es 860.000 mittlere und kleine Handwerksbetriebe. Davon sind 75 Prozent von Familien geführt. Mit etwa 600.000 Lehrlingen ist das Handwerk der größte Ausbilder Deutschlands. Insgesamt sind Handwerksberufe auf dem Vormarsch. Und deshalb ist es keine hohle Phrase, wenn die Kammern raten, „Jugendliche, die auf der Suche nach einer Lehrstelle zum 1. August sind, sollten Handwerksberufe unbedingt in ihre Wahl einbeziehen“.
Wenn Mädchen heute noch zögern, sich für Handwerksberufe zu entscheiden, liegt das oft an den Vorurteilen und Klischees der Menschen um sie herum. Eltern, Lehrer, ja sogar Berufsberater greifen zu oft zur Geschlechterschablone ihrer eigenen Jugend. Und so zweifeln sie, belächeln und raten ab. Da kann schon ein „Das ist doch nichts für Mädchen“ der Anfang vom Ende sein. Immer wieder hören Schülerinnen solche Sätze. Und mit ihnen sterben Handwerkskarrieren, bevor sie überhaupt begonnen haben. Wie viel Engagement und Kreativität dadurch vielen Branchen verloren geht, will man sich gar nicht vorstellen.
Gegen diese Art der Engstirnigkeit empfehle ich, die eigenen Augen und Ohren zu benutzen. Besucht Ausbildungsmessen, geht zu den Tagen der offenen Tür, besucht Handwerker in eurer Stadt, sucht euch Informationen im Netz, zum Beispiel auf den Seiten der Handwerkskammern! Macht euch euer eigenes Bild und findet heraus, welcher Beruf zu euch passt!
Auf den Seiten der Handwerkskammern liest man dann auch, dass „es kaum noch unversorgte Bewerber, sondern dagegen mehr unversorgte Unternehmen“ gibt. Auf Deutsch: Die Nachfrage nach Lehrlingen steigt. Hier sollten wir unsere Chance sehen. Denn auch Mädchen können Tische bauen und Autos reparieren.
Kommentar: Christiane Siemann