09.09.2009

Vorurteile

Das Wort „Handwerker“ ruft bei vielen sofort bestimmte Vorurteile hervor. Oft sind die dann nur gehört. Von irgendwem. Oder gelesen. Irgendwo. Christie Tippenhauer ist 16 Jahre alt, kommt aus Rippien. In zwei Folgen räumt sie mit Handwerker-Klischees auf ...

Klischee 1: Männer sind die besseren Handwerker.

Dass in Deutschland unter den rund 5,8 Millionen Handwerkern mehrheitlich Männer sind, heißt noch lange nicht, dass Frauen in dieser Branche nichts zu sagen haben. Die Zeiten, in denen Frauen als selbstständige Gewerbetreibende vom Handwerk ausgeschlossen wurden, ist längst Geschichte.

Aus dieser Vergangenheit aber nährt sich das Klischee, Männer wären die besseren Handwerker. Und so passiert es, dass Handwerkerinnen mit Bemerkungen wie „Wo ist der Meister? Ich will mit einem Mann sprechen.“, konfrontiert werden. Diese Art von Kunden sind mittlerweile aber eher selten anzutreffen. Denn Handwerksberufe sind heute keine reinen Männerberufe mehr.

Das Handwerk beschäftigt rund 5,8 Millionen Mitarbeiter, davon sind immerhin etwa 30 Prozent Frauen. Tendenz steigend. Im Jahr 1977 waren es noch rund 26 Prozent. Außerdem ist der Anteil der Frauen im Handwerk deutlich höher als beispielsweise im produzierenden Gewerbe.

Es gibt auch Handwerksberufe, die von Frauen dominiert werden, besonders hoch ist die Zahl der weiblichen Beschäftigung in der Gewerbegruppe für Gesundheits- und Körperpflege sowie im Nahrungsmittelgewerbe.

Auch in der Ausbildung bleiben die Jungs nicht mehr unter sich. Es werden mehr Mädchen. Neben der Ausbildung zum Friseur liegen auch Goldschmied, Bäcker, Konditor und Augenoptiker vorn. Das Interesse von Frauen an technischen (Männer-)Berufe hat sich ebenso verstärkt, beobachtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Inzwischen beträgt der Anteil der weiblichen Lehrlinge bei den Steinmetzen immerhin 11 Prozent und bei den Schornsteinfegern 10 Prozent. Es ist ein steiniger Weg, aber er führt nach oben.

Und es bleibt einiges zu tun. Um Frauen für das bislang von den Männern dominierte, technische und naturwissenschaftliche Arbeitsfeld zu motivieren, gibt es Angebote. Seit 2001 findet jedes Jahr der „Girls Day“ statt. An dem Aktionstag bekommen deutsche Schülerinnen die Möglichkeit, auch in Handwerksberufe reinzuschnuppern.

Klischee 2: Im Handwerk gibt es nur alte Berufe, in denen mit der Hand gearbeitet wird.

Stimmt nicht! Durch den Fortschritt in der Technik entwickeln sich immer neue Möglichkeiten, im Handwerk aktiv zu werden. So gibt es den Kfz-Mechatroniker beispielsweise erst seit Mitte des Jahres 2003. Alte Gewerbe wie die des Kesselflickers oder Fassmachers gibt es wesentlich länger.

Das frühere Verständnis von Handwerk als ein Gewerbe, das im Wesentlichen mit den Händen und mit nur wenigen, einfachen Werkzeugen ausgeübt wird, hat sich in der heutigen Zeit vielfach gewandelt. Aufgrund höherer Standards sind Handwerker wie Kälteanlagenbauer oder Orthopäden auf die Hilfe von mechanischen, elektrischen und elektronischen Geräten angewiesen. Auch Chirurgiemechaniker, Systemelektroniker und Drucker sind Handwerksberufe und auch bei ihnen würde ohne den Einsatz moderner Technik nichts laufen.

Überhaupt kann man nicht von dem Handwerksberuf sprechen. Es gibt so viele verschiedene Berufsbilder und sie entwickeln sich stets weiter, passen sich Gegebenheiten und Bedürfnissen an. Natürlich gibt es aber auch noch Handwerksberufe, die alte Traditionen pflegen, die mit ursprünglichen Methoden arbeiten. Und dass „Handwerk“ das Wort „Hand“ in sich trägt, kommt nicht von ungefähr und ist auch ganz schlüssig: Man braucht schon ein gewiises Händchen in den Gewerken. Aber ohne Köpfchen geht es eben auch nicht. Und davon braucht man heute immer mehr.

Klischee 3: Das Handwerk hat nicht viele Jobs zu bieten.

Beim Wort Handwerk denkt jeder sofort an klassische Berufe, wie Tischler oder Maurer. Dass dieser Wirtschaftssektor jedoch ein viel größeres Arbeitsspektrum aufweist und ihm auch Jobs wie Augenoptiker, Systemelektroniker, Zahntechniker oder Fotograf angehören, wissen viele gar nicht.

Durch den Fortschritt und die technische Entwicklung haben sich jede Menge neue Berufsfelder etabliert, sodass es heute weit mehr als 150 Fachgebiete gibt. In Deutschland kommt diese Berufs- und Branchenvielfalt in rund 887.000 Betrieben mit fast 5 Millionen Beschäftigten zum Ausdruck. Zudem werden derzeit etwa 500.000 Menschen im Handwerk ausgebildet. Das entspricht knapp 31 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland. Wer also glaubt, der Handwerksmarkt könne nicht mit vielen Angeboten dienen, irrt.

Deutsche Handwerker haben im Übrigen derzeit gute Chancen, Auslandserfahrungen zu sammeln. Denn auch in europäischen Nachbarländern, wie Großbritannien, Polen, den Niederlanden oder Norwegen, führte ein struktureller Wandel zum Rückgang handwerklicher Betriebe. Darum herrscht dort bereits Fachkräftemangel.

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Klischee 4:  Handwerker haben schlechte Karrierechancen

Mit dem Klischee, dass es im Handwerk nur wenige Berufe gibt, die ausschließlich per Hand ausgeübt werden können, haben wir schon aufgeräumt. Das Vorurteil, handwerkliche Arbeit sei hauptsächlich körperlich anstrengend, lässt sich auch leicht widerlegen. Denn Mediengestalter und Uhrmacher, beides auch im Handwerk ausgeübte Handwerksberufe, strengen eher den Kopf als den Bizeps an.

Zudem ist es nicht so, dass Handwerker keine Chance hätten, sich weiterzuentwickeln und bis zur Rente die immergleiche Arbeit verrichten müssen. Es gibt vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten für Gesellen. Die Handwerkskammern zum Beispiel bieten verschiedene Qualifizierungen – Fortbildung zum Fachkaufmann, Fachwirt, Energieberater oder Servicetechniker. Durch diese Maßnahmen wird es meist ermöglicht, leitende Positionen in Betrieben einzunehmen. Des Weiteren werden einige dieser Abschlüsse als Teil der Meisterprüfung anerkannt.

Wer sich der Meisterprüfung in einem der zulassungspflichtigen Gewerbe laut Handwerksordnung unterzieht und diese auch besteht, ist berechtigt, seinen eigenen Betrieb zu gründen und Lehrlinge auszubilden. Meister haben außerdem die Möglichkeit auf eine Weiterbildung zum Betriebswirt und dürfen in einigen Bundesländern – wie in Sachsen – auch ohne Abitur studieren. Im Jahr 2008 bestanden in Deutschland 21.493 Handwerker ihre Meisterprüfung. Unter ihnen waren immerhin 4.315 Frauen, das entspricht einem Frauenanteil von mehr als 20 Prozent.

Ein duales Studium kann ein weiteres Sprungbrett für Handwerker sein. Bei diesem berufsbegleitenden Studium wird auf das Erlernen praktischer und theoretischer Kenntnisse gleichermaßen Wert gelegt. Dass Handwerker nicht auch die Karriereleitern erklimmen können, ist also Unsinn.


Text: Christie Tippenhauer